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Info zur Epidemie der EHEC-Bakterien

E. coli, vom „Indikatormikroorganismus“ zum „Indikatorfall“

Nach den SARS-, H5N1-(Vogelgrippe-Erreger), H1N1-(s.g. „Schweinegrippe“-Erreger), Salmonellen-Epidemien und ganz zu Schweigen von Dioxin-Fällen sind nun die E. coli-Bakterien im Vormarsch. Eigentlich sind E. coli `s in der Regel die „harmlosen“ Darmbewohner der Säugetiere somit auch die der Menschen. In der Lebensmittelüberwachung werden diese Keime als s.g. „Indikator-Mikroorganismen“, was etwa „Anzeiger-Mikroorganismen“ bedeutet, genutzt. Der Nachweis solcher Indikatorkeime in Lebensmitteln bedeutet noch nicht, dass eine unmittelbare Gefahr für den Verbraucher besteht, sondern, dass eine Fäkalkontamination (Verunreinigung durch menschliche oder tierische Fäkalien) nicht auszuschließen ist. Abhängig von der Überschreitung der Grenzwerte werden für die betreffenden Lebensmittel die Hygienemaßnahmen verschärft. Sowohl die Richt- und Warnwerte der DGHM (Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie) als auch die der EG-Norm 2073:2005 weisen daraufhin, dass beim Nachweis von E. coli zu empfehlen ist, der Kontaminationsquelle nachzugehen und ggf. Maßnahmen zu ergreifen sind. Mit dem Begriff „in der Regel harmlos“ wird darauf aufmerksam gemacht, dass es unter den E. coli-Varianten, die zu den harmlosen Darmbewohnern (früher auch Darmflora genannt) gehören, auch solche existieren, die für Menschen oder Tiere hoch pathogen (krankheitsauslösend) sind. Der EHEC-Stamm (Enterohämorrhargische E. coli) gehört zusammen mit weiteren Stämmen wie ETEC (Enterotoxische E. coli) und EIEC (Enteroinvasive E. coli) sowie EAEC (Enteroaggregative E. coli) zur Gruppe der EPEC (Enteropathogene E. coli).

Wie bereits aus der Presse bekannt ist, kam es innerhalb kürzester Zeit (ca. zwei Wochen) zu einer Epidemie der EHEC-Bakterien, die angeblich durch eine direkte Kontamination (Verunreinigung)der Gemüseprodukte wie Gurken, Tomaten o. ä. ausgelöst worden ist (spanisches Obst-Gemüse steht unter Verdacht, Stand 31.05.2011). Die Quelle der Kontamination ist jedoch noch unklar. Die überregionale Ausbreitung dieser Keime verursacht unter anderem die relativ schwer verlaufenden HUS-Fälle (Hämolytisch-uremisches Syndrom). Nach einer Inkubationszeit von drei bis vier Tagen kann eine Gastroenteritis (Magen-Darm Entzündung) auftreten, die sich zu einer entero-hämorrhagischen Colitis entwickeln kann. Die dabei vom Bakterium freigesetzten Toxine zerstören die Zellen der Darmwand und der Blutgefäßwände, sodass unter anderem auch die Nieren zur Leidenschaft gezogen werden. In Deutschland werden derzeit 15 Todesfälle (aus der Presse) und ca. 373 Krankheitsfälle (HUS-Fälle, 3) mit steigender Tendenz beklagt (Stand 31.05.11).

Dass es trotz der EU-weiten Verschärfung der Hygienevorschriften für Lebensmittel (z.B. EG-Norm 2073:2005) zu einem solchen Ausbruch kommen kann, scheint im ersten Blick nicht verständlich. Sieht man jedoch genauer hin, so stellt man fest, dass die erwähnte EG 2073:2005, welche unter anderem auch die Angaben über die mikrobiologischen Richt- und Grenzwerte für ausgewählten Lebensmittelsorten macht, nichts über die Richt- und Grenzwerte der Obst- und Gemüseprodukte aussagt (außer für die „zerkleinerte Obst- und Gemüseprodukte“, 1). Diese durch den vegetarischen Konsum immer mehr im Vordergrund kommenden Rohkostprodukte (frische Salate u. ä.) werden nur auf ihrer chemischen Belastung hin sprich Pflanzenschutzmittelrückstände wie Pestizide, Insektizide sowie Dioxin usw., überprüft. Mit einer mikrobiologischen Belastung dieser Produkte wurde angeblich nicht gerechnet (1).

Bei der Kontrolle der Lebensmittel in der Handelsebene durch die Überwachungsbehörden wird davon ausgegangen, dass die Verbraucher keine Kenntnisse über die hygienische Handhabung der Lebensmittel besitzen. Daher ist der Lebensmittelhandel mit Recht aufgefordert alle erdenklichen Vorbeugungen zu treffen, um eine Gefährdung der Verbraucher von vornherein auszuschließen oder zumindest zu minimieren. Da die Frequenz der behördlichen Kontrollen durch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Mitarbeiter beschränkt ist, können mikrobiologische Eigenkontrollen im Bereich des Obst- und Gemüsehandels von großer Bedeutung sein.

Im Schatten dieser neuen Entwicklung scheint eine mögliche Erweiterung der EG 2073:2005 dringend notwendig zu sein. Zu empfehlen wäre, dass beim Nachweis von E. coli mit Keimzahlen über dem Richtwert (z. B. m=50 KBE/g ; m=500 KBE/g), der Ausschluss der pathogenen Stämme wie EHEC und ETEC gefordert wird. Sowohl die Lebensmittelindustrie als auch die Überwachungsapparate der EU-Länder und nicht zuletzt die Wissenschaft müssten aus dieser noch relativ kleinen Epidemie der EHEC-Bakterien Lehren ziehen und diesen Fall, analog zum „Indikator-Mikroorganismus“ als „Indikatorfall“ kennzeichnen.



Literatur:
1- VERORDNUNG (EG) Nr. 2073/2005 DER KOMMISSION vom 15. November 2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel

2- Richt- und Warnwerte der DGHM (2010)

3- Robert Koch Institut (RKI)
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Verfasst von Dr. Aslan Cicek, Berlin 31.05.2011


















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